Ich hatte eine gute Nacht, trotz Schnarchkonzert. Meine Nacht war allerdings um 6:30 Uhr vorbei. Die spanischen Pilger haben Licht angemacht, sich lautstark unterhalten und Knoblauchbrote geschmiert.
Rücksicht auf die anderen schlafenden Pilger kennen sie nicht.
Deshalb hatte ich einen frühen Start um 7:30 Uhr, vorher gab es ein kleines Frühstück in der Bar. Das belgische Ehepaar läuft winkend an der
Bar vorbei. Beim Start treffe ich Kilian wieder, die letzten 3 Tage habe ich ihn nicht gesehen.
Es geht es über steinige Pfade langsam bergauf, dann auf einer wenig befahrenen Landstraße nach La Mesa. Dort lädt eine sonnige Terasse zum Cafe con leche ein, ich lerne Max aus Dänemark kennen, Kilian ist auch mit dabei. Nach dem Ort geht auf der Landstraße steil nach oben, meine Beine protestieren heftig, es fühlt sich schlimmer als die gestrige Passetappe an. Wie eine alte Dampflock schnaufe ich den Berg hoch. Anette aus Deutschland ist auch mit dabei, ihr fällt es heute nicht so schwer. Auf halber Höhe treffen wir Aria und Vicky am Straßenrand sitzend. Später erfahre ich, dass Vicky 4 km vor ihrem Ziel ein Taxi bestellt und zur Apotheke gefahren ist.
Auch Tom aus Schottland ist wegen Fussproblemen nur 5 km gelaufen.
Bin ich froh, meine Füße haben die nassen Schuhe gut überstanden. Die Druckstellen sind auch wieder weg.
Nach der steilen Straße geht es sehr lange auf Schotterwegen den Berg runter. Rechts und links wächst gelb blühender Ginster und lila Heide. Das Wetter ist sonnig, es könnte nicht besser sein. Jetzt haben wir einen Blick auf den Stausee im Tal. Im unteren Teil vom Berg duftet der Ginster herrlich. Um kurz vor 11:00 Uhr treffe ich Jill und Lui aus Israel, sie stehen andächtig am Zaun und schauen auf ihr Handy.
Jill signalisiert das er gerade telefoniert. Ich laufe weiter, später treffe ich beiden wieder. Jill erklärt das in Israel am 30.04. Memorialday ist und um 11:00 Uhr alles für 2 Minuten inne hält.
An einem Aussichtspunkt kurz vor der Staumauer begegne ich den beiden Männern aus Gran Canaria. Aus ihren Rucksäcken zaubern sie einen kleinen Gaskocher und eine Expressomaschine, sie laden mich zum Café ein, ich traue mich nicht anzunehmen. Sie müssen ja alles den ganzen schleppen, dann sollen sie ihren Café genießen.
Im Hotel am See die nächste Pause, jetzt habe schon mehr als die Hälfte der heutigen Etappe hinter mir. Am liebsten wäre ich schon in San Julian, dort wartet heute der Pilgerluxus auf mich. Einzelzimmer, richtige Bettwäsche und Frotteehandtücher. Dinner und Frühstück gibt es auch, es geht mit gut. Meine Beine stimmen mir nicht zu, sie sind schwer und wollen ihre Ruhe.
Leider müssen sie mit mir die Landstraße wieder sehr lange hoch und dann runter nach Gradas de Salime. Hier bleiben die meisten Pilger, allein laufe ich die nächsten 5 Kilometer bis ans heutige Ziel. Die Herberge ist der Traum, es ist ein Apartment mit 2 Einzelzimmern.
Die Fotos werdet ihr gleich sehen. Das belgische Ehepaar, Kilian und die beiden Amerikaner von vorgestern sind auch. Inzwischen kennt man sich.
Später kommen noch 5 Amerikaner die mit ihren Pferden auf dem Weg sind.
Am Spätnachmittag fängt es an zu regnen, jetzt donnert es sogar. Dinner ist um 19:00 Uhr und findet in einem eigenen kleinen Häuschen mit Küche, Essraum und einem Empfangsbereich der auch als "Weinkeller" genutzt werden könnte statt.
Es gibt gebackenen Camembert, eingelegte Sardinen und eingelegte Paprika zur Vorspeise.
Hauptgericht: Spaghetti Bolognese
Nachtisch: Käsekuchen mit Heidelbeersauce
Matthias, Kilian und ich haben sehr lecker gegessen, vollkommen satt und zufrieden gehe ich in mein Luxuseinzelzimmer.
Morgen muss ich über einen 1.100 Meter hohen Pass laufen. Das bedeutet genügend Wasser und Proviant mitnehmen, ich werde vermutlich erst nach 20 Kilometern wieder die Möglichkeit haben in einem Gasthaus einzukehren, oder etwas einzukaufen.
Meine Beine sollten sich bis morgen etwas erholt haben, deshalb liege ich bereits um 20:30 Uhr im Bett. Die Beine mussten auch heute 251 Etagen hoch.